Kontroverse um neuen Test zur Erkennung des Down-Syndroms
Behindertenverbände: Mehr Druck auf Schwangere
BERN - Ein neuer Bluttest zur Erkennung des Down-Syndroms bei Ungeborenen lässt die Emotionen hoch gehen. Behindertenverbände befürchten, dass der Druck auf Schwangere wegen des einfachen Verfahrens zunimmt. Der Hersteller verweist auf das geringere Risiko für das Ungeborene.
Anders als bei der herkömmlichen Fruchtwasser-Punktion analysiert der "PraenaTest" die DNA des Fetus, die sich im Blut der Mutter befindet. Allein in Deutschland könnten dadurch 600 bis 700 Kinder vor den tödlichen Folgen invasiver Eingriffe wie der Punktion bewahrt werden, schreibt Michael Lutz, Chef des "PraenaTest"-Herstellers LifeCodexx, in einer Stellungnahme.
Behindertenorganisationen sehen dies anders: "Man kann diese Haltung einnehmen, wenn man nicht beachtet, dass gleichzeitig viel mehr behinderte Kinder abgetrieben werden", sagt insieme-Geschäftsleiterin Christa Schönbächler auf Anfrage zu einer Meldung der "NZZ am Sonntag". insieme ist die Dachorganisation der Elternvereine für Menschen mit einer geistigen Behinderung und führt in der Schweiz die Kritiker gegen den "PraenaTest" an.
Vermeidbare Kinder
Diese befürchten zunehmenden Druck auf Schwangere, einen solchen Test durchzuführen und bei einer allfällig entdeckten Trisomie 21 auch abzutreiben. Dieser genetische Defekt führt zum so genannten Down-Syndrom.
Die Folge ist laut Schönbächler ein hoher Rechtfertigungsdruck für Mütter, die ein Kind trotzdem austragen wollen. "Die falsche Vorstellung wird zunehmen, dass man behinderte Kinder vermeiden kann", sagte sie. Im schlimmsten Fall könne dies sogar zu Leistungsverweigerungen durch die Krankenkassen führen.
So weit ist es in der Schweiz noch nicht. Dass die Befürchtung aber nicht ganz aus der Luft gegriffen ist, zeigt die aktuelle politische Debatte um die Präimplantationsdiagnostik. Dabei geht es um die Untersuchung von künstlich gezeugten Embryonen vor dem Einsetzen in den Mutterleib. Der Bundesrat möchte die Auflagen dafür lockern, stösst damit aber auf heftigen Widerstand.
Heilmittel-Zulassung nicht nötig
Auch in Europa wird über Pränatal- und Präimplantationsdiagnostik diskutiert. Beim Menschenrechtsgerichtshof in Strassburg setzen sich derzeit rund 30 Organisationen aus 16 Ländern gegen die Früherkennung von Trisomie 21 ein. Insbesondere in Deutschland sorgt auch der neue "PraenaTest" für Zündstoff.
Dieser soll demnächst in der Schweiz, in Deutschland und in Österreich auf den Markt kommen. Der Hersteller hat eine so genannte CE-Kennzeichnung beantragt, die eine Markteinführung auch in der Schweiz erlauben würde. Eine Zulassung als Heilmitteil ist nach Auskunft des Schweizer Heilmittelinstituts swissmedic nicht notwendig, da es sich beim Test nicht um ein Medikament handelt.
Quelle: SDA - 30.07.2012