Hunger im Mutterleib macht zuckerkrank im Alter
Während Hungersnot Geborene haben erhöhtes Diabetes-Risiko im Alter
WIEN - Kinder von Müttern, die während der Schwangerschaft gehungert haben, haben im Alter ein deutlich erhöhtes Diabetes-Risiko. Dies hat eine österreichische Statistik-Studie ergeben, die nun im Fachblatt "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS) erscheint.
Die Forscher um Stefan Thurner von der Medizinischen Uni Wien hatten eine ganz andere Frage im Sinn, als ihnen in den Jahrgangsdaten von 325'000 österreichischen Diabetes-Patienten drei merkwürdige Ausschläge auffielen: Die Jahrgänge 1920/21, 1938 und 1946/47 waren besonders häufig an Diabetes erkrankt.
Nach langem Suchen fanden sie die Lösung: Die Häufung von Diabetes bei gewissen Geburtsjahrgängen stimmt mit dem Auftreten von Hungersnöten überein. Eine Nahrungsmittelknappheit gab es in Österreich 1918 nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und der Monarchie, 1938 nach der Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit und schlechten Ernten, sowie im Hungerwinter 1946/47, der weite Teile Europas betraf.
Bei Menschen, die in oder kurz nach diesen Hungerjahren geboren wurden, fanden die Forscher ein stark erhöhtes Diabetes-Risiko im Alter. Wer 1920/21 im damals ärmlichen Burgenland geboren wurde, hat eine mehr als doppelt so hohe Wahrscheinlichkeit, heute an Diabetes zu leiden, wie davor oder danach Geborene, erklärte Thurner der Nachrichtenagentur APA.
Langfristige Gesundheitsauswirkungen von Unterernährung konnten schon frühere Studien nachweisen, etwa in den Niederlanden 1944, in China 1959-1961 oder im nigerianischen Bürgerkrieg 1967-1970. Diese Studien würden aber nur auf Daten von ein paar Tausend Personen basieren, sagte Thurner.
Sparsame Körper
Aus diesen Studien haben Wissenschaftler die "Hypothese des sparsamen Phänotyps" entwickelt. Demnach passt sich der Stoffwechsel von Föten, deren Mutter mangelernährt ist, an den Nahrungsmangel an. Sind sie wider Erwarten später normaler Nahrung ausgesetzt, gerät ihr Insulinhaushalt aus dem Lot.
Sollten sich die Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Hunger und Diabetes verdichten, "müsste man dort, wo schwangere Frauen heute hungern, in den nächsten 30 bis 50 Jahren deutlich höhere Diabetes-Raten erwarten", betonte Thurner. Ärzte könnten aber auch vorbeugend bei Menschen, die in Hungerzeiten geboren wurden, früher mit der Behandlung der Diabetes beginnen.
Quelle: SDA - 04.03.2013