Genetik - Forschern gelingt ältester Nachweis von syphilis-ähnlichem Erreger
BERN - In 2000 Jahre alten Gräbern in Brasilien haben Schweizer Forschende syphilis-ähnliche Bakterien entdeckt. Dieser bisher älteste Fund von Bakterien aus der Familie der sogenannten Treponematosen stellt die Hypothese in Frage, dass Kolumbus die Syphilis aus Amerika nach Europa brachte.
"Die Geschichte ist wahrscheinlich viel komplexer", erklärte Studienleiterin Verena Schünemann am Mittwoch auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Sie ist Professorin für Naturwissenschaftliche Archäologie an der Universität Basel.
Zusammen mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Österreich, Spanien und Brasilien untersuchte Schünemann Knochen in einem vor 20 Jahren in der Küstenregion Santa Catarina in Brasilien entdeckten Grab. Die Resultate wurden am Mittwoch in der Fachzeitschrift "Nature" veröffentlicht. Einige der Knochen am Fundort "Jabuticabeira II" wiesen laut Schünemann Veränderungen auf, die auf Syphilis hindeuteten.
Andere Syphilis-Art gefunden
"Zu unserer Überraschung fanden wir aber im Erbgut der Knochen nicht die Erreger der klassischen Syphilis, sondern die Erreger der endemischen Syphilis", sagte Schünemann. Beide Erreger gehören zu den sogenannten Treponematosen. Im Gegensatz zu klassischer Syphilis wird die endemische Syphilis aber nicht über Geschlechtsverkehr übertragen, sondern hauptsächlich über die Haut.
"Die Frage nach dem Ursprung von Syphilis bleibt damit offen", stellte Schünemann klar. Die Theorie, dass Matrosen und Söldner von Christoph Kolumbus bei ihrer Rückkehr nach der Reise in die Neue Welt im Jahr 1492 die sexuell übertragbare Syphilis nach Europa brachten und damit die Syphilis-Epidemie in Europa im späten 15. Jahrhundert auslösten, könnte laut Schünemann auch falsch sein.
Die Forscherin hält es für wahrscheinlich, dass Treponematosen auch schon vor der Rückkehr Kolumbus' nach Europa weltweit verbreitet waren. "Das zeigt auch, wie wichtig es ist, solche Hypothesen zu hinterfragen und zu testen", so die Forscherin.
Anpassungsfähiges Bakterium
Mit den DNA-Proben aus den 2000 Jahre alten Knochen datierten die Forschenden die Entstehung der Bakterien-Familie der Syphilis auf den Zeitraum zwischen 12'000 und 550 vor Christus. Die Entstehungsgeschichte dieser Erreger reicht damit sehr viel weiter zurück als bisher angenommen.
Da sich das Erbgut des Erregers in einer recht feuchten Region finden liess, sei der Befund auch ein deutlicher Hinweis darauf, wie gut sich diese Bakterien offenbar auf neue Umstände einstellen konnten. Heute komme endemische Syphilis vor allem in heisseren und trockeneren Weltregionen vor. So grassiere die Krankheit vor allem in Afrika und Westasien.
Syphilis verbreitet sich
Das Verständnis darüber, wie sich diese Krankheiten in der Vergangenheit verbreitet und entwickelt haben, trage auch zum Verständnis zur heutigen Verbreitung bei, sagte Schünemann. Dies sei gerade jetzt von grosser Bedeutung.
Seit der Coronapandemie verbreitet sich Syphilis wieder verstärkt. Auch in der Schweiz. Nach Angaben des Bundesamts für Gesundheit (BAG) wurde im Jahr 2022 bei 1078 Personen Syphilis diagnostiziert.
Ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht laut BAG vor allem bei Männern, die Sex mit Männern haben, sowie bei Personen mit mehreren wechselnden Sexualpartnern und im Bereich der Prostitution. Kondome verringern demnach zwar das Risiko, sich mit Syphilis zu infizieren. Eine Ansteckung kann aber trotz Kondom erfolgen. Ausserdem zeige Syphilis erste Anzeichen für Antibiotikaresistenzen, so Schünemann.
Fachartikelnummer (DOI): 10.1038/s41586-023-06965-x
Quelle: SDA / Keystone - 24.01.2024, Copyrights Bilder: Adobe Stock/© 2023 Pixabay
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