Lateinamerika vom Denguefieber geplagt


Nach der Covid-19-Pandemie wird Lateinamerika von sehr vielen Dengue-Fällen heimgesucht. Laut einem Artikel der führenden englischen Wochenzeitschrift The Economist (Ausgabe vom 27. April 2024) soll die globale Erwärmung in dieser Region, die in diesem Jahr durch das Phänomen El Niño verstärkt wurde, zu einem grossen Teil für den starken Anstieg der Infektionen verantwortlich sein. Dengue-Fieber ist eine Viruserkrankung, die von einer Mücke übertragen wird. Die gute Nachricht ist, dass eine direkte Ansteckung von einer infizierten Person auf eine andere nicht möglich ist.

Lateinamerika stark betroffen

Im Jahr 2023 traten etwa 80 % der weltweit bestätigten Dengue-Fälle in Lateinamerika mit seinen 670 Millionen Einwohnern auf, was knapp 10 % der Weltbevölkerung entspricht. Das grösste und bevölkerungsreichste Land dieser Region, Brasilien, ist besonders stark betroffen. Das brasilianische Gesundheitsministerium meldet, dass in diesem Jahr vom 1. Januar bis zum 23. April bereits 3,8 Millionen Menschen an Dengue-Fieber erkrankt sind, was 1,7 % der Bevölkerung des Landes entspricht. Abgesehen davon ist es wahrscheinlich, dass sich in Afrika und Asien jedes Jahr viele Millionen Menschen mit Dengue-Fieber infizieren. Jedoch verfügen diese Regionen über geringere Kapazitäten, die Fälle wissenschaftlich zu dokumentieren.

Ein Virus, das am Tag «zusticht»

Dengue-Fieber wird durch den Stich einer Mücke (Aedes aegypti) übertragen, die mit dem Virus infiziert ist. Die Mücke ist tagaktiv und überträgt das Virus durch Speichel, indem sie in die menschliche Haut sticht. Das Virus vermehrt sich dann im menschlichen Blut. Bei etwa 40 bis 50 % der Menschen, die mit dem Dengue-Virus infiziert sind, treten Symptome auf. Anders ausgedrückt: 50 bis 60 % der Menschen, die von einer infizierten Mücke gestochen werden, zeigen keine Symptome (asymptomatisch).

5 Serotypen des Virus

Das Dengue-Virus hat fünf Serotypen oder Untergruppen: DENV-1, DENV-2, DENV-3, DENV-4 und DENV-5. Einige Quellen sprechen von nur vier Serotypen. Es ist nicht möglich, sich ein zweites Mal mit demselben Serotyp zu infizieren. Ein Patient kann aber mit einem anderen der vier Serotypen infiziert werden. Beispielsweise kann man sich mit DEN1 infizieren und einige Wochen, Monate oder Jahre später mit einer anderen Untergruppe. Jedoch kann ein und derselbe Patient nicht zweimal im Leben mit DENV-1 infiziert werden.

Infektion, die einer starken Grippe ähnelt

Pharmapro.ch hat von zahlreichen Personen, die sich mit Dengue-Fieber infiziert haben und Symptome zeigten, erfahren, dass diese einer schweren Grippe ähneln, wie hohes Fieber, starke Kopfschmerzen, Muskelschmerzen und Durchfall. Die Patienten bleiben oft eine Woche lang im Bett. Ein brasilianischer Arzt erklärte gegenüber Pharmapro.ch, dass es nach Ausbruch der Krankheit kaum eine Behandlung gebe, ausser Dypiron (ein fiebersenkendes Mittel) zu verschreiben, um bestimmte Symptome wie das Fieber zu lindern. Patienten, die in vielen Fällen einige Tage lang kraftlos sind, werden ausserdem dazu angehalten, viel zu trinken und sich gut auszuruhen. Wenn möglich sollten Patienten 60 ml pro Kilogramm Körpergewicht trinken, wie die brasilianische Zeitung Folha de S.Paulo berichtet. Das sind für einen 70 kg schweren Erwachsenen etwa vier Liter Wasser, Das ist viel, manchmal zu viel für die Kranken, die daher im Krankenhaus über die Venen mit Flüssigkeit versorgt werden müssen.

Ganz Lateinamerika

In den letzten Jahren ist das Dengue-Fieber auch in Ländern mit kühlerem oder trockenerem Klima aufgetreten, wie z. B. in Chile oder Uruguay, wie The Economist berichtet. In kalten Wintern mit Temperaturen unter 15°C sterben die Mücken ab. In diesem Jahr explodiert die Zahl der Fälle in Lateinamerika regelrecht: Anfang 2024 sind es bereits 5,9 Millionen Fälle, während es im gesamten Jahr 2023 nur 4,5 Millionen Fälle waren.

5 % müssen im Krankenhaus behandelt werden

Dengue-Fieber bleibt nicht immer ohne Folgen. Etwa 5 % der infizierten Personen müssen im Krankenhaus behandelt werden. Einige Patienten können nämlich eine schwere Form der Krankheit entwickeln, die als hämorrhagisches Denguefieber (englisch: dengue hemorrhagic fever) bezeichnet wird und tödlich verlaufen kann. Jedes Jahr sterben weltweit etwa 40'000 Menschen an Dengue-Fieber. Diese Zahl ist in den letzten Jahrzehnten stark angestiegen, ebenfalls laut The Economist. Beim hämorrhagischen Dengue-Fieber treten die Symptome des klassischen Dengue-Fiebers auf und es kommt zu Blutungen, nachdem das Fieber bereits gesunken ist. Bei hämorrhagischem Dengue-Fieber muss man sehr wachsam sein und sofort einen Arzt aufsuchen, wenn starke Bauchschmerzen, Zyanose oder spontane Blutungen auftreten.

Nicht nur das Klima

Auch wenn die globale Erwärmung einen Grossteil des Anstiegs der Fälle zu erklären scheint. Die Stadtplanung in Lateinamerika mit Grossstädten wie Sao Paulo, Buenos Aires, Rio de Janeiro, Mexiko City oder Lima, in denen es oft riesige Vororte mit Einfamilienhäusern und sogenannte Favelas gibt, ist nicht hilfreich. Die Mücke vermehrt sich in stehenden Gewässern, weshalb es in Vorstädten häufiger zu Infektionen kommt als in Stadtzentren, in denen es weniger Wasserstellen gibt. Stehendes Wasser findet man in Vasen, Töpfen, Strassenlöchern, im Garten, in Swimmingpools oder auf Flachdächern.

Impfung

Es gibt mehrere Impfstoffe auf dem Markt, um Dengue-Fieber vorzubeugen. Einer davon heisst QDenga® und ist für Personen ab 4 Jahren indiziert. Dieser in Lateinamerika und der Europäischen Union zugelassene Impfstoff, der lebende, abgeschwächte Dengue-Viren enthält, wird jedoch nicht in grossem Umfang hergestellt und ist nicht in ganz Lateinamerika verfügbar. Mindestens ein Impfstoffprojekt befindet sich in einem fortgeschrittenen Stadium der klinischen Studie. Der Impfstoff Dengvaxia® von Sanofi ist ebenfalls erhältlich, kann jedoch für Personen, die noch nie an Dengue-Fieber erkrankt sind, gefährlich sein. In Brasilien hiess es im Januar 2022 laut der Regulierungsbehörde Anvisa auf der Packungsbeilage des Dengvaxia®-Impfstoffs, dass dieser bei Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern im Alter von 9 bis 45 Jahren angewendet werden sollte, die bereits mit Dengue-Fieber infiziert waren und in Endemiegebieten leben.

Eine andere Möglichkeit zur Vorbeugung

Eine weitere Präventionsmethode, die vor allem in Singapur in grossem Massstab angewandt wird, ist die Injektion von virusblockierenden Wolbachia-Bakterien in die Mückeneier, bevor diese in die Natur ausgesetzt werden. Mit dieser Methode tragen die Mücken weniger Dengue-Viren in sich, wodurch die Zahl der Infektionen um etwa 75 % sinkt. Singapur setzt jede Woche fünf Millionen Mücken mit diesen Bakterien in die Natur aus. Diese Methode ist jedoch teuer, wahrscheinlich zu teuer für die wirtschaftliche Situation in Lateinamerika. Dort besteht die beste Vorbeugung darin, die Bevölkerung zu warnen. Die Gesundheitsbehörden führen häufig allgemeine oder gezielte Informationskampagnen durch. Es wird u. a. empfohlen, Sand in die Untersetzer von Pflanzentöpfen zu streuen, leere Flaschen mit dem Flaschenhals nach unten zu drehen, Wassertanks und Schwimmbecken abzudecken (oder Chlor zu verwenden) sowie Reifen nicht im Freien zu lagern.

24. Mai 2024 (Update). Von Xavier Gruffat (Apotheker, Pharmapro.ch).

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