Forscher ersetzen fast komplette Haut eines schwerkranken Kindes


BOCHUM - Es ist ein letzter Versuch, um einen kleinen Knaben vor dem Tod zu bewahren: eine Gentherapie zur Heilung seiner schweren Hauterkrankung. Der Versuch gelingt. Klinischer Alltag wird so eine Gentherapie trotzdem vorerst nicht.

Mit einer Gentherapie haben Mediziner einen kleinen Buben von einer lebensbedrohenden erblichen Hautkrankheit geheilt. Sie entnahmen dem Kind dazu einige Hautzellen, schleusten im Labor eine gesunde Variante des bei ihm fehlerhaften Gens hinein und vermehrten die Zellen dann. Die nachgezüchtete gesunde Haut transplantierten sie auf fast die gesamte Körperfläche des Knaben.

Er ist heute, knapp zwei Jahre nach dem Eingriff, weitgehend frei von Beschwerden. Die Forscher stellen ihre Therapie, die unter Leitung von Bochumer Wissenschaftlern erfolgte, im Fachblatt "Nature" vor.

Unzureichende Verankerung

Der kleine Hassan litt an der Erbkrankheit Epidermolysis bullosa, auch Schmetterlingskrankheit genannt. Dabei ist die obere Hautschicht nur unzureichend in der darunterliegenden Hautschicht verankert. Schon kleinste mechanische Belastungen führen zu Blasenbildung und zur Ablösung der Haut, massive chronische Wunden sind die Folge. Das schränkt nicht nur die Lebensqualität enorm ein, es führt auch häufig zu Hautkrebs.

Für die Verankerung ist massgeblich ein Protein namens Laminin-332 verantwortlich. Sind Gene fehlerhaft, die für die Bildung dieses Proteins zuständig sind, tritt die Erkrankung in unterschiedlichen Varianten und Schweregraden auf. Eine Heilung ist bisher nicht möglich.

Als der Knabe 2015 mit sieben Jahren in die Bochumer Kinderklinik kam, waren bereits 60 Prozent seiner Hautoberfläche zerstört. Durch die schweren chronischen Wunden und Infektionen war er völlig ausgezehrt. Die üblichen Behandlungen schlugen nicht an, so dass im Grunde nur noch eine palliativmedizinische Behandlung infrage kam.

Experimentelle Gentherapie

Auf Wunsch der Eltern suchten die Ärzte nach experimentellen Therapiemöglichkeiten und stiessen auf Arbeiten von Michele De Luca, der am Center for Regenerative Medicine der Universität Modena (Italien) eine Gentherapie für diese Erkrankung an zwei Patienten getestet hatte, allerdings nur an kleineren Hautbereichen.

Nach Klärung der rechtlichen und organisatorischen Fragen, die zur Durchführung einer Gentherapie nötig sind, schickten die deutschen Ärzte einige Hautzellen des Jungen an die italienischen Experten. Die isolierten daraus die epidermalen Stammzellen, schleusten ein gesundes Gen mit Hilfe eines Virus - einem sogenannten Vektor - ins Erbgut hinein und vermehrten die Zellen.

In Deutschland transplantierten die Wissenschaftler dann das nachgezüchtete Gewebe in zunächst drei Operationen. Insgesamt ersetzten sie 80 Prozent seiner Haut.

"Zu Beginn der Behandlung lag der Junge wie eine Mumie in seinem Bett, er war von Kopf bis Fuss in Verbände gewickelt", erzählt Tobias Rothoeft von der Kinderklinik in Bochum, der den Knaben während seines etwa achtmonatigen Klinikaufenthaltes mitbetreut hat.

"Heute ist seine Haut stabil, er geht zur Schule, spielt Fussball und kann ein weitgehend normales Leben führen." Verletzungen an der neuen Haut heilten bei ihm wie bei jedem anderen Kind. Die Forscher zeigten, dass die neue Haut etwa so viel Anker-Protein Laminin-322 enthielt wie gesunde Haut.

Langzeitfolgen bleiben abzuwarten

"Es ist der erste Mensch, der so behandelt wurde. Wir müssen abwarten, ob auch weiterhin alles so gut verläuft. Das wird die Zeit zeigen", sagt Tobias Hirsch vom Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikum Bergmannsheil, der Hassan operiert hat. Für ihn als plastischen Chirurgen sei es "ein Wunder und ein Segen", dass es dem Knaben so gut geht.

Die Forscher sehen ihren Erfolg als Beweis, dass eine solche Gentherapie grundsätzlich möglich ist. Sie hoffen, dass das Verfahren in Zukunft auch zur Behandlung anderer Patienten eingesetzt werden kann. Derzeit gebe es aber zumindest in Bochum keine Pläne dafür.

Nach Angaben von Hirsch sind in Europa etwa 35'000 Kinder von der Schmetterlingskrankheit betroffen. Die Schwere der Erkrankung sei sehr unterschiedlich, eine die Ursache angehende Therapie werde dringend benötigt.

Bislang können die Patienten nur symptomatisch behandelt werden, das heisst unter anderem, dass ihre Wunden werden versorgt werden und die Haut mit Cremes und Medikamenten zur Förderung der Wundheilung gepflegt wird. Um sich vor Verletzungen oder offenen Wunden zu schützen, tragen die Betroffenen an vielen Körperstellen Verbände.

Risiko für Krebserkrankung

Grundsätzlich besteht bei Gentherapien wie der vorgestellten das Risiko, dass sich das neue Gen an einer ungünstigen Stelle im Erbgut integriert und Krebs begünstigen. Untersuchungen des Erbguts der neuen Haut zeigten, dass sich das Gen in den meisten Zellen in DNA-Bereiche integrierte, die nicht für die Bildung von Proteinen zuständig sind oder in solche Gene, die nicht mit einer Krebsentstehung in Verbindung stehen.

Bisher fanden die Forscher bei dem Knaben auch keinen Tumor oder andere schädliche Entwicklungen. Auch bei den zwei Patienten, die vor mittlerweile zwölf Jahren an kleineren Hautregionen behandelt worden waren, gebe es keine derartigen Probleme, schreiben die Forscher in ihrem Fachartikel.

Weitere Langzeitbeobachtungen seien nötig, um sicherzustellen, dass die Behandlung wirklich sicher ist, schreiben Mariaceleste Aragona und Cédric Blanpain von der Université Libre de Bruxelles in einem in "Nature" veröffentlichten Kommentar. Nichtsdestotrotz stelle die Arbeit einen entscheidenden Fortschritt bei der Suche nach geeigneten Stammzelltherapien dar.


Quelle: SDA - 08.11.2017, Copyrights Bilder: Fotolia.com

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