Die jährliche Mitarbeiterbeurteilung, ein Konzept im Wandel


ARTIKEL FÜR FACHLEUTE
Fachgebiet
: Personalwesen
Schlüsselwörter: Beurteilung, Feedback, Mitarbeiterführung
Was Sie lernen: Die Beurteilung der Mitarbeitenden ist unverzichtbar, doch die Methoden wandeln sich - das Feedback muss ausführlicher sein und regelmässig erfolgen als früher (z.B. alle drei Monate) - Noten entmutigen.

LENZBURG - Wenn man der Politik der grossen, multinationalen Konzerne wie GE, Microsoft oder Deloitte Glauben schenken darf, sind die Tage der jährlichen Mitarbeiterbeurteilung gezählt. Was ein wenig paradox anmutet, vor allem, was GE betrifft, da das Unternehmen die Welt des Personalwesens unter der Führung von Jack Welch, des “Gurus des Managements“, in den 1980er und 1990er Jahren wahrscheinlich entscheidend geprägt hat. Doch sogar dieser Konzern scheint sich mittlerweile von den Methoden, die er selbst entwickelt hat, verabschiedet zu haben.

Abschaffung der Noten

Ein Aspekt der jährlichen Mitarbeiterbeurteilung, der immer mehr für Polemik sorgt, ist die Vergabe einer Note an jeden Mitarbeiter, insbesondere durch den Chef. Manche Unternehmen, zu denen vor allem auch GE gehörte, haben diese Praxis sehr extrem betrieben, indem sie ihre Mitarbeitenden beispielsweise in folgende Gruppen einteilten: Die besten 10%, die durchschnittlichen 80%, und die schlechtesten 10%. Einige Arbeitgeber gingen sogar so weit, die Mitarbeiter zu entlassen, die sich unter den schwächsten 10% befanden. Diese Strategie des gnadenlosen Leistungsdrucks scheint an ihre Grenzen gekommen zu sein. Sogar GE hält nicht mehr allzu viel von dieser Methode, vor allem, was die nach 1980 geborenen Mitarbeitenden betrifft (Generation Y). Der Generation Y ist es wichtig, mitbestimmen zu können. Sie lassen sich gerne erklären, weshalb etwas genau nach diesem einen Schema gemacht werden soll. Die blosse Auftragserteilung funktioniert nicht mehr. Die Führung von Personen aus der Generation Y ist kann herausfordernd, aber auch sehr spannend sein, denn durch viele klärende Gespräche können auch viele gute Ideen für ein Geschäft entstehen.

Die bekannte amerikanische Bank Goldman Sachs verkündete im Mai 2016 ihre Absicht, künftig auf die Benotung der Mitarbeitenden bei der jährlichen Beurteilung zu verzichten. Diese Beurteilung fand normalerweise immer im Herbst statt, soll aber von nun an jeden Sommer erfolgen, was aus einem Artikel hervorgeht, der am 27. Mai 2016 im The Wall Street Journal veröffentlicht wurde. Nach Ansicht von Goldman Sachs kann sich die Vergabe einer Note (1 bis 9) an jeden Mitarbeitenden als entmutigend erweisen. Die jährliche Beurteilung an sich wird die Bank nicht abschaffen, doch anstatt sich auf die Vergangenheit zu konzentrieren, sollen die Mitarbeitenden Anregungen zur Verbesserung ihrer Arbeit in der Zukunft erhalten. Mit diesen Reformmassnahmen möchte die Bank an der Wall Street ihre Attraktivität für junge Menschen, die sich meist mehr für die Unternehmen des Silicon Valley interessieren, steigern. Unternehmen wie Microsoft und Adobe haben das Benotungssystem bei der Mitarbeiterbeurteilung längst aufgegeben. 

Eine unbefriedigende Methode

Eine amerikanische Studie, an der 770 Führungskräfte, insbesondere Geschäftsführer teilnahmen, zeigte, dass 95% von ihnen mit dem jeweiligen Verfahren zur Beurteilung der einzelnen Mitarbeitenden nicht zufrieden waren. Microsoft hat die Methode der jährlichen Beurteilung im Jahr 2014 komplett abgeschafft und durch häufigere Feedbacks ersetzt.

Eine Welt im Wandel

Wir dürfen nicht vergessen, dass die Technologie, vor allem die Kommunikationstechnik, in den 1980er und 1990er Jahren längst nicht so weit entwickelt war wie heute. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass eine jährliche Mitarbeiterbeurteilung für ein Unternehmen wie GE, das vor allem in der Elektrizitätsbranche tätig ist, damals Sinn machte, zumal in einer überschaubaren Welt alles transparenter war (beispielsweise existierte das Big Data-Konzept nicht).

Im Jahr 2016 sind die neuen Technologien in der Arbeitswelt so präsent wie niemals zuvor. Jedenfalls hat sich der Alltag spürbar “beschleunigt“, etwa durch die E-Mail-Korrespondenz, durch das Datenbankmanagement, durch Produktivitätssoftware- und CRM-Programme (Customer-Relationship-Management) oder auch durch das gesamte Konzept des Cloud Computings. Heutzutage wird ein Jahr vielfach als nahezu endloser Zeitraum empfunden, vor allem aus der Perspektive der Unternehmen, die in der Technologie-Branche tätig sind wie Microsoft oder Deloitte (Audit). Deshalb bedarf es einer schnellen Entscheidungsfindung und einer raschen Umsetzung von Strategiewechseln.

Wie läuft die moderne Mitarbeiterbeurteilung ab?

Eine Frage, die Sie sich als Geschäftsführer oder Mitarbeiterin der Personalabteilung wahrscheinlich stellen müssen, lautet: Welche Alternativen gibt es? Wie so oft in der Welt des Managements gibt es keine Pauschalantwort. Im Grunde ist es genau das, was das Personalwesen wie auch die Wirtschaftswissenschaft so spannend macht: Wir bewegen uns an der Schnittstelle zwischen einer wissenschaftlichen und einer künstlerischen Disziplin. Ein Aspekt, der im Jahr 2016 wahrscheinlich an Bedeutung gewinnt, ist die Abschaffung des Benotungssystems bei der Mitarbeiterbeurteilung. Die Schulzeit ist vorbei, und es hat sich gezeigt, dass diese Methode eher entmutigend als motivierend wirkt.

Es besteht die Möglichkeit, jeden Mitarbeitenden anhand eines Vergleichs seiner früheren und aktuellen Leistungen einzuschätzen, anstatt Noten zu vergeben. Wenn Sie z.B. ein CRM-Programm haben, das die getätigten Verkäufe aller Mitarbeitenden (frei verkäufliche Artikel) analysiert, können Sie die Verkäufe unterschiedlicher Zeiträume miteinander vergleichen und ihnen eine Rückmeldung zu seinen Stärken und Schwächen geben. Eine andere Methode wird von der Bank Goldman Sachs praktiziert und konzentriert sich vor allem auf die zukünftige Arbeit, z.B. auf die Möglichkeiten, in den kommenden Monaten eine Produktivitätssteigerung zu erzielen. 

Eine Beurteilung alle drei Monate?

Ausserdem scheint es bei den grossen Konzernen, die häufig in kleinen Teams arbeiten und deshalb Ähnlichkeit mit der Organisation einer Apotheke haben, immer mehr in Mode zu kommen, die Mitarbeiterbeurteilung alle drei Monate anstatt einmal pro Jahr durchzuführen. Ebenso wichtig ist es, allen Mitarbeitenden immer wieder Feedback zu geben. In manchen Unternehmen ist auch ein Feedback zwischen Personen derselben Dienstebene üblich (peer review).

Das Beispiel Deloitte

Deloitte wendet mittlerweile eine sehr interessante Methode an: Die langwierigen, jährlichen Beurteilungen mit ihrem gewaltigen Fragenkatalog wurden auf 4 Fragen reduziert, die von nun an nach Fertigstellung eines Projektes oder am Quartalsende gestellt werden:

- Wenn es mein Geld wäre, würde ich dieser Person (d.h. diesem Mitarbeiter) eine Gehaltserhöhung gewähren?
- Hätte ich diese Person gern in meinem Team?
- Ist diese Person heute bereit für eine Beförderung?
- Besteht die Gefahr, dass diese Person schlechte Leistungen erbringt?

Deloitte ist natürlich ein sehr grosses, weltweit agierendes Unternehmen mit Zehntausenden von Mitarbeitenden und einer grossen Fluktuation, auch zwischen verschiedenenAbteilungen. Deshalb können diese Fragen vielleicht nicht direkt auf den Apothekenalltag übertragen werden.

Mitarbeiterführung

Sie als Teamleiter haben die Aufgabe, die richtige Methode zur Beurteilung Ihrer Mitarbeiter zu finden.

Ebenso wichtig ist es, dass Sie Ihre Mitarbeitenden um ihre Meinung zur gewählten Beurteilungsmethode bitten, also die Beurteilung der Beurteilung. Das Feedback Ihrer Mitarbeitenden bringt Sie wahrscheinlich auf gute Ideen, die Ihnen helfen können, Ihre Beurteilungsmethode stets zu verbessern. So kann es sein, dass Sie die Einsatzbereitschaft und die Motivation Ihres Teams kontinuierlich stärken können.

© 14. Juni 2016 - Pharmapro GmbH

Autor:
-Xavier Gruffat, MSc ETH, eidg. dipl. Apotheker, MBA

Quellen (Text):
- Exame (renommierte, brasilianische Zeitschrift, die in der Wirtschaftswelt als Massstab gilt)
- The Wall Street Journal

Quelle (Bilder):
- Fotolia

Review:
- Van Nguyen, MSc ETH, Fachapothekerin FPH in Offizinpharmazie, MA HEC Lausanne
- Dr. Patrick Eichenberger, MSc ETH, Fachapotheker FPH in Offizinpharmazie

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