Ärzte und Apotheker streiten um Medikamentenabgabe


BERN - Bei der Revision des Heilmittelgesetzes geht es um viel Geld. Ärzte auf der einen und Apotheker auf der anderen Seite kämpfen um die Abgabe von Medikamenten. Die verschiedenen finanziellen Interessen führen zu Misstönen zwischen den Berufsgruppen.

Bei der Schweizerischen Ärztevereinigung FMH läuten eine Woche vor der Nationalratsdebatte die Alarmglocken. Sie ortet im Entwurf "Denkfehler, systematische Fehler, sogar grosse Risiken für Patienten", wie Sven Bradke, Geschäftsführer Ärzte mit Patientenapotheke (APA), am Dienstag vor den Medien in Bern sagte.

Grosse Sorgen bereitet den Ärzten die vorgeschlagene erweiterte Medikamentenabgabe der Apotheken. Diese sollen neu einen Teil der verschreibungspflichtigen Arzneien in Eigenregie abgeben dürfen. Dies gefährde die Patientensicherheit und sei unnötig, sagte Bradke. Die Notfallabgabe von rezeptpflichtigen Medikamenten sei bereits heute gesetzlich erlaubt. "Das reicht auch."

Zudem seien Apotheker keine Ärzte. "Sie sind weder ausgebildet, noch dazu befähigt, eine korrekte Diagnose zu stellen." Nur einzelfallweise bei "ungefährlichen" Medikamenten sei eine Abgabe durch Apotheker vorstellbar - unter der zusätzlichen Voraussetzung, dass der behandelnde Arzt des Patienten informiert werden müsse.

Apotheker: "Wir sind die Fachleute"

Anders sieht dies der Apothekerverband pharmasuisse. "Wir sind ja gerade die universitär ausgebildeten Fachleute im Medikamentenbereich", sagte Generalsekretär Marcel Mesnil auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. "Wo ist also das Problem?"

Schon heute gebe es bei der Heilmittelabgabe durch Apotheken klare Auflagen und Richtlinien. Die Aussage der FMH, wonach die Apotheker nicht befähigt seien, verschreibungspflichtige Medikamente zu verkaufen, bezeichnet Mesnil als unseriös. "Wir sind an der Universität ausgebildet und fähig."

In der heutigen Zeit des Hausärztemangels und der Überalterung der Bevölkerung brauche es innovative Lösungen im Gesundheitsbereich, sagte Mesnil. Der Vorschlag der vorberatenden Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats (SGK-N) stärke die Grundversorgung. Die FMH biete ihrerseits keine Lösungen an: "Sie torpediert alles nur."

Bei den sogenannten "Ärzten mit Patientenapotheke" geht es natürlich vor allem darum, dass sie selber Medikamente verkaufen wollen. Es geht nicht um die Qualität. Schon alleine die Vielfalt an Medikamenten, die eine Apotheke führt (z.T. mehr als 10'000), zeigt das bessere Angebot als das Mini-Sortiment der Ärzte, welche selber Medikamente verkaufen (oft nur 50-100 verschiedene Medikamente). Dabei haben jene Ärzte ja bereits einen Lohn, der gemäss Informationen der FMH bei Hausärzten durchschnittlich bei CHF 200'000 pro Jahr liegt. Mit dem Verkauf von Medikamenten gefährden diese Ärzte aber massiv die Existenz von Apotheken, die eine Versorgung mit Medikamenten anbieten. Nicht zu vergessen, dass Apotheken niemals Betriebsferien haben, Notfalldienst anbieten, lange Öffnungszeiten haben und keine Wartezeiten in Kauf genommen werden müssen.

Mehr Rezepte - mehr Kosten

Für Konfliktstoff sorgt auch die Rezeptpflicht. Geht es nach der SGK-N, sollen künftig auch Hausärzte, die Medikamente direkt in der Praxis abgeben, ein Rezept ausstellen müssen. Damit könnten die Patienten dann endlich frei wählen, ob sie das Arzneimittel beim wiederholten Bezug beim Arzt oder in der Apotheke beziehen wollen. Ohne Rezept gibt es in der Realität keine Wahlfreiheit.

Bei der FMH stösst dieser Vorschlag auf Unverständnis. Er sei "sinnlos und kostspielig", sagte Bradke. Die Ärzteschaft beziffert die Kosten dafür auf 100 bis 150 Millionen Franken jährlich. Während heute die Abgabe der Medikamente über die Marge abgegolten wird, würde sie neu über den Ärztetarif abgerechnet. "Dies käme die Patienten teuer zu stehen."

Dies zeigt, wie sehr diese Ärzte mit dem Medikamentenverkauf an einem Zusatzverdienst interessiert sind. Wenn sie die Ausstellung eines Rezeptes verweigern, missachten sie schlussendlich die Wahlfreiheit der Patienten, die ja ohne Rezept gar keine andere Wahl haben, als an einem einzigen Ort in der Schweiz, nämlich in ihrer Praxis, die Medikamente zu beziehen. Hoffentlich erreicht man die Praxis vor 17 Uhr, und hoffentlich ist die Praxis nicht geschlossen wegen Ferien. Was ist hier die Lösung der "Ärzte mit Patientenapotheke" für ihre Patienten?

Zum Wohle der Patienten

Der Apothekerverband zweifelt am Wahrheitsgehalt der FMH-Zahlen. "Die Ärzte wollen einfach die Patientenrechte nicht anerkennen", sagte Mesnil. Inhaltlich begründet er die Rezeptpflicht damit, dass der Patient nur durch die Rezeptausstellung eine echte Wahlfreiheit beim Medikamentenbezug erhält.

Die Ärzte befürchten bei der Ausweitung der Rezeptpflicht aber eine Verschiebung von Marktanteilen zu den Apothekern. Mesnil widerspricht: "Das zentrale Anliegen bei der Rezeptpflicht ist die Patientensicherheit." Mit dem neuen Gesetz würden auch die Auflagen für die Apotheker zunehmen. Unter dem Strich sei dies ein Nullsummenspiel.

Kein Kompromiss in Sicht

Der Nationalrat behandelt die Vorlage am 7. Mai in der Sondersession. Ein einfacher Kompromiss ist nicht in Sicht. Die FMH droht schon heute mit dem Referendum, falls das Gesetz in der nun vorliegenden Form verabschiedet wird.

In der Vernehmlassung sind 181 Stellungnahmen eingegangen. Die Gesundheitskommission hat sich während mehr als eines Jahres 46 Stunden mit dem Thema befasst und dabei 130 Anträge geprüft.

Das Heilmittelgesetz regelt, über welche Kanäle die Medikamente in den Verkauf kommen. Es wird in zwei Etappen revidiert. Die 1. Etappe, die vorgezogene Teilrevision, ist bereits am 1. Oktober 2010 in Kraft getreten.

Quelle: SDA (modifiziert durch Pharmapro.ch) - 29.04.2014

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