Lösliche Paracetamolmedikamente oder Paracetamol Brausetabletten mit zu hohem Salzgehalt können das Todesrisiko erhöhen
LONDON - Eine Studie ergab, dass Menschen aufgrund eines signifikant erhöhten Risikos für Herzinfarkt, Schlaganfall, Herzversagen und Tod den Konsum von Medikamenten vermeiden sollten, die in löslicher Form oder als Brausetabletten verkauft werden und Paracetamol enthalten. Diese Medikamente, die sich innerhalb von Sekunden oder Minuten in Wasser auflösen und sprudeln, sind für den Verbraucher oder Patienten oft attraktiv, enthalten aber meist eine viel zu hohe Menge an Salz. Die Studie über fast 300.000 bei britischen Hausärzten registrierte Patienten wurde am 24. Februar 2022 im European Heart Journal veröffentlicht (DOI: 10.1093/eurheartj/ehac059).
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Zu viel Salz
Natrium, einer der Hauptbestandteile von Salz, wird häufig verwendet, um die Wasserlöslichkeit von Medikamenten wie Paracetamol zu fördern. Die Brause- und löslichen Formulierungen von 500-mg-Tabletten mit Paracetamol können jedoch 440 mg bzw. 390 mg Natrium enthalten. Wenn eine Person die maximale Tagesdosis von zwei 500-mg-Tabletten alle sechs Stunden einnimmt, würde sie 3,5 bzw. 3,1 g Natrium zu sich nehmen - eine Dosis, die über der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlenen täglichen Gesamtaufnahme von 2 g pro Tag liegt. Es gibt andere Formulierungen wie z. B. als Tablette (die direkt geschluckt wird), die eine extrem geringe Menge an Natrium oder gar kein Natrium enthalten.
Gefahr durch Salz (im Übermass)
Zu viel Salz in der Nahrung stellt bekanntlich ein grosses Problem für die öffentliche Gesundheit dar, das mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Todesfälle bei Patienten mit Bluthochdruck einhergeht. Es gibt jedoch keine konsistenten Nachweise für ein ähnliches Risiko bei Menschen mit normalem Blutdruck, und es wäre ethisch fragwürdig, eine randomisierte kontrollierte Studie durchzuführen, um diese Frage zu untersuchen.
Einzelheiten der Studie
Die Forscher unter der Leitung von Prof. Chao Zeng vom Xiangya Hospital der Central South University in Changsha, China, analysierten UK Daten aus dem Health Improvement Network (THIN), einer elektronischen medizinischen Datenbank, in der die Patientendossiers bei Allgemeinpraktikern (Hausarzt) von rund 17 Millionen Menschen erfasst sind. Sie untersuchten 4’532 Patienten mit Bluthochdruck, denen natriumhaltiges Paracetamol verschrieben worden war, und verglichen sie mit 146’866 Patienten mit Bluthochdruck, denen natriumfreies Paracetamol verschrieben worden war. Ausserdem verglichen sie 5'351 Patienten ohne Bluthochdruck, denen natriumhaltiges Paracetamol verschrieben worden war, mit 141'948 Patienten ohne Bluthochdruck, denen natriumfreies Paracetamol verschrieben worden war. Die Patienten waren zwischen 60 und 90 Jahre alt und die Forscher beobachteten sie ein Jahr lang.
Ergebnisse
Die Forscher stellten fest, dass das Risiko eines Herzinfarkts, Schlaganfalls oder Herzversagens nach einem Jahr für Patienten mit Bluthochdruck, die natriumhaltiges Paracetamol einnahmen, 5,6 % (122 Fälle von Herz-Kreislauf-Erkrankungen) betrug, während es bei den Patienten, die natriumfreies Paracetamol einnahmen, 4,6 % (3051 Fälle von Herz-Kreislauf-Erkrankungen) betrug. Auch das Sterberisiko war höher; das Risiko nach einem Jahr betrug 7,6 % (404 Todesfälle) bzw. 6,1 % (5.510 Todesfälle). Ein ähnlich erhöhtes Risiko bestand bei Patienten ohne Bluthochdruck. Bei Personen, die natriumhaltiges Paracetamol einnahmen, betrug das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf ein Jahr 4,4 % (105 Fälle von Herz-Kreislauf-Erkrankungen) und 3,7 % (2079 Fälle von Herz-Kreislauf-Erkrankungen) bei Personen, die nicht natriumhaltiges Paracetamol einnahmen. Das Sterberisiko betrug 7,3 % (517 Todesfälle) bzw. 5,9 % (5'190 Todesfälle).
Analyse, Wirkung über die Zeit
Professor Zeng erklärte in einer auf Englisch veröffentlichten Mitteilung zur Studie (via Eurekalert.org): «Wir stellten ausserdem fest, dass das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Todesfälle mit der Dauer der Einnahme von natriumhaltigem Paracetamol anstieg. Das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen stieg bei Patienten mit Bluthochdruck, die ein Rezept für natriumhaltiges Paracetamol hatten, um ein Viertel, und bei Patienten mit fünf oder mehr Rezepten für natriumhaltiges Paracetamol stieg es um fast die Hälfte. Ähnliche Anstiege stellten wir auch bei Personen ohne Bluthochdruck fest. Das Todesrisiko stieg ebenfalls mit der Erhöhung der Dosen von natriumhaltigem Paracetamol bei Patienten
Natrium wird in Arzneimittelzubereitungen häufig verwendet, um die Löslichkeit und den Spaltungsprozess zu unterstützen. Im Jahr 2018 verwendeten 170 Personen pro 10’000 Einwohner im Vereinigten Königreich natriumhaltige Arzneimittel, wobei der Anteil bei Frauen höher war. Im Jahr 2014 wurden im Vereinigten Königreich 42 Millionen paracetamolhaltige Medikamente verschrieben und weitere 200 Millionen Packungen wurden rezeptfrei verkauft.
Medikamente im Trend
Glücklicherweise enthält nur ein kleiner Teil der Paracetamolpräparate Natrium, doch mit der zunehmenden Beliebtheit schnell wirkender Medikamente und kohlensäurehaltiger Getränke scheinen die Nebenwirkungen des arzneimittelbedingten Natriumkonsums eher zu- als abzunehmen, so ein Leitartikel (DOI: 10.1093/eurheartj/ehab888) zum Studiendokument.
Praktische Empfehlungen
Prof. Zeng erläuterte, dass Kliniker und Patienten sich der Risiken bewusst sein sollten, die mit natriumhaltigen Paracetamolmedikamenten oder -präparaten verbunden sind, und unnötigen Konsum vermeiden sollten, insbesondere wenn das Medikament über einen längeren Zeitraum eingenommen wird. Es gilt zu beachten, dass Paracetamolmedikamente, die kein Salz enthalten (z. B. normale Tabletten), genauso wirksam sind wie solche, die Salz enthalten (z. B. Brausetabletten). Man sollte zudem stets die Mengenangaben an Salz (Natrium) beachten, die in der Regel auf der Packungsbeilage des Medikaments angegeben ist.
Weitere Medikamente, verstärkte Hinweise auf der Packungsbeilage
Salz kann im Übermass und oft de facto für den Verbraucher oder Patienten versteckt in anderen Medikamenten als Paracetamol enthalten sein, z. B. in Schmerzmitteln, Vitaminen, Antazida oder Medikamenten gegen Verdauungsstörungen. Neben der Angabe der Natriummenge, wie es derzeit häufig der Fall ist, könnten die Arzneimittel-Regulierungsbehörden (z. B. FDA, EMA, Swissmedic) zusätzlich eine Warnung auf dem Beipackzettel oder der Verpackung hinzufügen (WARNING SODIUM in der Infografik unten), die vor den Gefahren von zu viel Natrium für das Herz-Kreislauf-System warnt, so der Leitartikel (DOI: 10.1093/eurheartj/ehab888), der dem Studiendokument beigefügt ist.
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24. Februar 2022. Von Xavier Gruffat (Apotheker), diese Nachricht wurde aus dem Französischen übersetzt. Quellen: Pressemitteilung der Studie auf Englisch. Referenz Hauptstudie: European Heart Journal (DOI: 10.1093/eurheartj/ehac059), Editorial (DOI: 10.1093/eurheartj/ehab888). Bildnachweis: Adobe Stock, European Heart Journal (Infografik)