Vom Labor zum Krankenbett: Wie Ärzte auf dem neusten Stand bleiben


Von Beate Kittl, sda

LAUSANNE / THUN - Ärzte befragen lieber Kollegen zu den neusten Erkenntnissen in ihrem Fachgebiet als die Fachliteratur zu begutachten. Das zeigt eine neue Studie eines Lausanner Forscherteams. Dieses wollte wissen, weshalb es viele Erkenntnisse aus dem Labor nicht ans Krankenbett schaffen.

Es gebe eine grosse Lücke in der Medizin, sagt Studienleiter Bernard Burnand vom Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität und des Unispitals Lausanne auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. Das medizinische Wissen verdoppelt sich etwa alle anderthalb Jahre, doch zahlreiche Durchbrüche werden nicht oder erst viele Jahre später in die Praxis umgesetzt.

Das verschwendet nicht nur viele Forschungsgelder, sondern verhindert auch die bestmögliche Versorgung der Patienten. So hat eine grosse Analyse von US-Forschern bereits vor zehn Jahren ergeben, dass Patienten in diversen Fachdisziplinen im Schnitt nur etwa die Hälfte der Versorgungsmassnahmen erhielten, die gemäss aktuellem Forschungsstand die besten sind.

Mangel an Fachwissen

Burnand und sein Team aus Versorgungsforschern, Sozialwissenschaftlern und Klinikern wollten wissen, wo das System stockt. Was hindert Ärzte daran, sich über die neusten Fortschritte zu informieren und sie anzuwenden? Die Forscher führten zunächst Einzelinterviews mit 29 Ärzten - vor allem Hausärzte, für die es besonders schwer ist, auf allen Gebieten jederzeit aktuell und umfassend informiert zu sein.

Gemäss der ersten, bislang unveröffentlichten Daten nannten die Ärzte als Hauptquellen für aktuelles Fachwissen Kollegen, Spezialisten und andere Experten, ausserdem die Fachliteratur und - zur Verblüffung der Forscher - Nachwuchsärzte und sogar Patienten. Das Problem dabei: Der angefragte Kollege oder Experte kennt womöglich selbst nicht alle Fakten, wie Burnand erklärt.

Als Hürden bei der Informationssuche wurden Zeitmangel, mangelnde Fähigkeiten, die wissenschaftlichen Belege selbst zu interpretieren, sowie mangelnde Qualität von Fachkongressen genannt. Auch Patienten, die auf bestimmten Behandlungen beharrten sowie die Arbeit in einer Privatpraxis sahen die Ärzte als Hindernisse dafür, die neusten Erkenntnisse zu kennen und anzuwenden.

Medizin ohne handfeste Beweise

Eben dies ist jedoch das Ziel der evidenzbasierten Medizin: Sie sieht vor, dass Therapien nach den aktuell besten Belegen für ihre Wirksamkeit und im besten Interesse des gründlich darüber aufgeklärten Patienten eingesetzt werden. Dies kann etwa auch ein Therapieverzicht sein.

Was sie davon halten, wollten die Lausanner Forscher per Fragebogen von über 6000 Ärzten wissen - fast 1000 antworteten. Den ersten Auswertungen zufolge glaubt ein Viertel der Antwortenden gar nicht an die evidenzbasierte Medizin oder an ihre Umsetzbarkeit im Alltag, und 50 Prozent halten sie für mässig wichtig. Lediglich 25 Prozent finden sie sehr wichtig.

Einfache Informationsquelle

Ein möglicher Grund könnte der Mangel an guten Studien in bestimmten Disziplinen wie der Psychiatrie sein, vermutet Burnand. Auch ist bekannt, dass das Tarifsystem der Ärzte den Einsatz teurer Technologien stärker entlohnt als ausführliche Gespräche oder gar Therapieverzicht, die explizit Teil der evidenzbasierten Medizin sind.

"Die Schwierigkeit der Ärzte, an neue Informationen zu gelangen, ist nicht neu", sagt Burnand. "Unsere Daten zeigen, dass dies in der Schweiz weder besser noch schlechter funktioniert." Den Gründen für die hohe Ablehnung will sein Team nun in der nächsten Studienetappe nachgehen. Die Studie wird von der Gottfried und Julia Bangerter- Rhyner-Stiftung und der Akademie der medizinischen Wissenschaften (SAMW) finanziert.

Den Ärzten fehle eine leicht zugängliche Informationsquelle, schliesst Burnand aus den ersten Resultaten. Eine solche zu realisieren, sei schwierig, etwa wenn es um Fragen zur Therapiemethode oder Medikamentendosis beim einzelnen Patienten gehe. Sein Team hat nun vom Nationalfonds Geld erhalten, um solche geeigneten Kommunikationswege ausfindig zu machen.

Quelle: SDA - 02.01.2015

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