Interview mit Dr. Toni Widmer, Apotheker und Mitglied der GSIA


BASEL - Dr. Toni Widmer ist Apotheker und Mitglied der Schweizerischen Gesellschaft der Industrieapotheke (GSIA). Er arbeitet bei Novartis. Pharmapro.ch konnte ihm via E-Mail einige Fragen stellen mit dem Ziel, jungen Apothekern* bzw. Pharmaziestudierenden ein mögliches Tätigkeitsgebiet aufzuzeigen.

Xavier Gruffat (Pharmapro GmbH) - Pharmapro war Sponsor des National Pharmacy Students Weekend (NPSW) Ende Oktober in Basel. Sie haben bei einer Präsentation der GSIA den Studierenden die folgende Frage gestellt: «Welche Berufsrichtungen gibt es für Pharmazeuten?». Welche Möglichkeiten gibt es Ihrer Meinung nach für Pharmazeuten in der pharmazeutischen Industrie?
Dr. Toni Widmer - Die Möglichkeiten sind schier endlos. Von Benchtop Scientist über Projectmanagement oder operationelle Tätigkeiten sowie im Bereich Qualitätssicherung. Sogar Marketing, Accounting und Finance sind möglich. Wichtig ist jedoch manchmal ein wenig Geduld, oft entwickelt man sich mit der Berufserfahrung und den persönlichen Stärken oder Interessen in die Funktionen hinein.

An der Universität Basel und an der ETH Zürich gibt es die Möglichkeit, einen spezialisierten Master zu absolvieren mit Fokus auf die pharmazeutische Industrie mit der Bezeichnung «Drug Sciences» (Basel) bzw. «Pharmaceutical Sciences» (Zürich). Können Sie uns davon erzählen? Ist das Ihrer Meinung nach der perfekte Weg, um später in der pharmazeutischen Industrie zu arbeiten? Was ist, wenn jemand den Master für Offizin- und Spitalapotheker absolviert und später trotzdem in der Industrie arbeiten möchte? Sehen Sie hier Nachteile? Ich sehe keine direkten Nachteile, über den Offizin oder Spitalapotheker in der Industrie Fuss zu fassen. Jedoch sehe ich sehr viele Vorteile bei den spezialisierten Mastern. Der wichtigste ist der direkte Kontakt mit Personen, die in der Industrie arbeiten. Das sind exzellente Startpunkte für eine Karriere in der Industrie.

Als ich anfangs der 2000er Jahre Pharmazie studierte an der ETH Zürich, habe ich einmal gehört oder gelesen, dass bei Roche oder Novartis (oder anderen Big Pharma) nur ungefähr 1% der Mitarbeitenden Pharmazeuten sind. Es gäbe z.B. viel mehr Biologen. Hat sich Ihrer Meinung nach etwas daran geändert? Hat allenfalls der neue Master bereits Einfluss auf die Anzahl Pharmazeuten in der Industrie?
Diese Zahl ist eher eine Konsequenz der vielen Bereiche, die in einer grossen Pharmafirma benötigt werden. Die meisten Pharmazeuten arbeiten im Bereich Development, Production, Registration und Quality. Dies ist nur ein kleiner Teil. Im den oben genannten Bereichen ist jedoch der Anteil an Pharmazeuten zehn- bis zwanzigmal höher. Das breite Wissensspektrum, das man als Pharmazeut mitbringt, ist eine einzigartige Qualifikation.

Pharmapro ist die führende Plattform für Stelleninserate für öffentliche Apotheken und wir stellen fest, dass Apotheken oft Mühe haben, neue passende Apothekeren für Ihren Betrieb zu finden. Anders gesagt, glauben Sie, dass junge Absolventen vermehrt den Weg in die Industrie gehen anstelle einer Laufbahn in einer Spital- oder öffentlichen Apotheke zu beginnen?
Ich denke, das Anforderungsprofil ist sehr unterschiedlich. Die Apothekerin ist meiner Meinung nach eher fokussiert auf Kunden und die Leitung eines kleinen Betriebs. Das Profil in der Industrie ist eher fokussiert auf das Arbeiten in einer Matrix-Organisation. Meine Wahrnehmung ist jedoch, dass die Mehrheit der Abgänger doch immer noch den weg in oder über die Offizin geht.

Empfehlen Sie Pharmazeuten, die im Verkauf oder Marketing arbeiten, ein MBA oder andere, zusätzliche Master zu absolvieren? Wird ein MBA immer noch wertgeschätzt?
Ich denke, das kommt sehr auf den Tätigkeitsbereich an. Wer Richtung Accounting und Finance gehen möchte, könnte gut bedient sein mit einem MBA. In meinem Umfeld gibt es jedoch nicht viele MBA-Absolventen.

Sie arbeiten zurzeit bei Novartis. Können Sie uns bitte beschreiben, was Ihre Funktion und Ihre Aufgaben sind? Wie sieht ein «normaler» Arbeitstag aus? Haben Sie den Master «Drug Sciences» an der Uni Basel absolviert? Was haben Sie nach dem Studium gemacht?
Ich habe den Master in Industrial and Pharmaceutical Sciences an der ETH Zürich abgeschlossen und meine Masterarbeit bereits bei Novartis absolviert. Dies hat sich dann zu einem PhD und einer Festanstellung entwickelt. Startpunkt war eine Vorlesung im Masterstudiengang im Bereich Drug Development.
Meine Arbeit ist sehr abwechslungsreich, wir sind eine kleine Gruppe am Interface zu Research. Wir wählen mit den Teams die besten Compounds aus und erarbeiten eine Strategie, wie wir die Verbindung möglichst ohne Probleme in die Klinik bringen können. Dies beinhaltet sehr viele iterative Schritte. Es kommen neue Resultate aus dem Labor und diese müssen dann entsprechend der Firmenstrategie in den Kontext gesetzt werden. Da kommt mir der Pharmaziehintergrund sehr gelegen, denn wir tauschen uns aus mit Chemikern, Biologen, Toxikologen, PK Experten, Projektmanagement und vielen mehr. Jedes neue Resultat kann den aktuellen Plan beeinflussen. Hier geht es nicht nur um reine Wissenschaft, sondern auch um Strategie, Kommunikation und Projektmanagement. Zusätzlich operieren wir global. Daten werden da generiert, wo gerade Ressourcen verfügbar sind. Dies ist auch aufgrund der kulturellen Unterschiede der beteiligten Personen manchmal anspruchsvoll.

© Pharmapro GmbH (Xavier Gruffat) - 13.12.2019

*Im Text wird jeweils nur die männliche Form verwendet; selbstverständlich sind aber immer beide Geschlechter gemeint.

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