Zum besseren Verständnis der GLN-Nummer und sonstige Informationen zu Open-Source-Daten und E-Commerce

Interview mit Nicolas Florin, Direktor von Refdata


BAAR (ZG) - Die Stiftung Refdata wird in Zukunft aufgrund der zunehmenden Digitalisierung im medizinischen Bereich eine immer wichtigere Rolle im Schweizer Gesundheitssystem spielen. Die wachsende Bedeutung von Open Source - gewissermassen in Anlehnung an das GitHub (Git-Konzept) in der Welt der Computerprogrammierung - dürfte ein weiterer Wachstumsmotor für diese «gemeinnützige» Stiftung sein. Refdata ist verantwortlich für die Verwaltung der GLN (Global Location Number), einer lebenslang gültigen Identifikationsnummer für Fachpersonen wie Apotheker (m/w) oder Apothekenhelfer (m/w). Die Stiftung weist eine neue GLN oder eine bereits existierende GLN zu und teilt sie dem Bewerberregister mit. Pharmapro.ch konnte den Direktor der Stiftung, Herrn Nicolas Florin, befragen und ihm einige Fragen stellen, um die Aufgaben und den Auftrag von Refdata besser zu verstehen.

Pharmapro.ch (Xavier Gruffat) - Wie ist Refdata entstanden? Wurde sie aus einem politischen, rechtlichen oder wirtschaftlichen Willen heraus gegründet?
Nicolas Florin - Eigentlich ist es eine Kombination aus diesen drei Elementen. Der politische Anstoss war, dass der selbstregulierende Verband des Arzneimittelmarktes, «Sanphar», ab dem Jahr 2000 keine Existenzberechtigung mehr hatte. Aber über das Kartell hinaus war «Sanphar» auch eine visionäre Organisation bei der Förderung standardisierter eindeutiger Identifikatoren, wie der GTIN (früher der EAN-Code) und der GLN. Dieser Verband förderte auch den EDI (elektronischer Datenaustausch) im pharmazeutischen Bereich und unterstützte ihn, indem er ihn in Open-Source-Referenzdatenbanken zur Verfügung stellte. Um diese damals schon weit fortgeschrittene «Investition» nicht zu verlieren, beschlossen die Dachverbände des schweizerischen Gesundheitswesens, als Nachfolgerin die Stiftung Refdata zu gründen. Dies, um eine Art von Diskussionsforum für die Förderung von Standards, Interoperabilität und Digitalisierung aufrechtzuerhalten (ja, dieser Begriff wurde damals schon verwendet!). All dies mit dem Ziel, die Patientensicherheit zu verbessern und die Automatisierung und Effizienz von unternehmensübergreifenden und interdisziplinären Prozessen zu erhöhen.

Sprechen wir ein wenig über die GLN-Referenzierung von Personen. Sie basiert gegenwärtig auf 48 Rollen, die den Berufen im Schweizer Gesundheitssystem entsprechen. Da sich unser Publikum hauptsächlich aus Apotheker/innen, Pharmazieassistentinnen und Drogistinnen zusammensetzt, sind diese 3 Berufe eingeschlossen? Sind die Amtsinhaber dort verzeichnet?
Bereits in den 1990er Jahren, lange vor der Einrichtung nationaler Register wie MedReg oder NAREG, wurden die pharmazeutische Industrie, Grosshändler, Apotheken und Drogerien sowie Ärzte durch den GLN-Code umfassend registriert. In der Folge begannen die Mitglieder der Stiftung Refdata, wie die WFH, pharmaSuisse und der Verband der Drogisten, ihre Mitglieder zu identifizieren und zu referenzieren. Als Ergebnis dieser langfristigen Arbeit verfügt die Stiftung Refdata heute über mehr als 350‘000 registrierte Fachkräfte im Gesundheitswesen. Heute werden GLN-Anträge für alle Fachleute, die einem nationalen Register (MedReg) oder (NAREG) angehören, von den Verwaltern dieser Register initiiert, während die Zuteilung der GLNs zentral von der Stiftung vorgenommen wird. Für Berufe, die keinem offiziellen Register angehören, werden die Anträge entweder direkt von den betroffenen Personen oder durch elektronischen Datenaustausch mit einer vertraglich mit der Stiftung verbundenen Berufsorganisation gestellt.

Anscheinend haben einige Apothekerassistenten noch keine GLN. Tatsächlich besitzt nur eine Minderheit der Apothekerassistenten, -innen eine GLN (etwa 300). Haben Sie eine Erklärung dafür, zumal 100 % der Apotheker eine GLN haben?
Wie bereits erläutert, identifiziert und referenziert die Stiftung nicht systematisch. Die Listung erfolgt entweder aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung oder aufgrund eines Marktbedarfs. GLNs für Apothekenhelferinnen und -helfer werden z. B. auf Anfrage der Apothekerin/des Apothekers erstellt, mit der/dem diese Personen zusammenarbeiten; sie erhalten damit u.a. Zugang zu reservierten Inhalten im Internet. Für eine systematische Listung müsste die Stiftung eine vertragliche Beziehung mit einem Berufsverband unterhalten. Dies kann zum Beispiel im Zusammenhang mit der elektronischen Patientenakte besonders wichtig sein.

Herr Florin, welches ist Ihr beruflicher Hintergrund und warum waren Sie daran interessiert, für diese Stiftung zu arbeiten?
Nach meiner Tätigkeit im Gesundheitssektor, unter anderem in der Logistik, war ich für die Standardisierungsorganisation GS1 Schweiz zuständig, wo ich regionale und globale Verantwortung trug. Im Rahmen meiner Tätigkeit hatte ich die Gelegenheit, eng mit der Stiftung zusammenzuarbeiten. Meiner Ansicht nach sind sich heute alle einig, dass das Potenzial der Digitalisierung im Gesundheitswesen noch in den Kinderschuhen steckt. Die Stiftung spielt eine wichtige unterstützende Rolle bei der Förderung und Realisierung dieses Potenzials, was für mich ziemlich spannend ist.

Wie viele Vollzeitäquivalente/Vollbeschäftigtenäquivalente hat Refdata? Welches sind Ihre Hauptkunden oder die Personen, die Sie bedienen?
Seit ihrer Gründung und bis heute hat die Stiftung im Rahmen ihrer operativen Tätigkeit stets mit privaten Partnern zusammengearbeitet. Die Stiftung hat eine Reihe von Dienstleistungsvereinbarungen, die alle Aspekte der angebotenen Dienstleistungen abdecken und vom Stiftungsrat überwacht werden. Die Nutzer unserer Dienstleistungen reichen von Softwareanbietern für Apotheken, Arztpraxen und sonstige Gesundheitseinrichtungen, über Logistikunternehmen bis hin zu Kranken- und Unfallversicherungen. Zu den verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten gehören die Unterstützung von Kontrollsystemen für die Abrechnung medizinischer Leistungen, die Unterstützung von Logistikoperationen und der Arzneimittelkontrolle, die Möglichkeit, Basisinformationen mit zusätzlichen eigenen Inhalten anzureichern; dazu kommen zahlreiche weitere gesetzlich vorgeschriebene Zwecke.

Woher stammen die finanziellen Mittel von Refdata, vom Bund und/oder von privaten Unternehmen (Kunden)?
Die Stiftung wird aktuell fast ausschliesslich von den Mitgliedsverbänden sowie von der pharmazeutischen Industrie über die Referenzierung von Gesundheitsartikeln finanziert. Angesichts der wachsenden Bedeutung der Referenzierung von Artikeln aus dem Gesundheitswesen und der Rolle des «öffentlichen Dienstes», die die Stiftung übernimmt, streben wir gemeinsam mit den betroffenen Behörden eine «Public Privat Partnership» an, die es dem Bund ermöglichen würde, sich an der Finanzierung der Referenzierungsarbeit zu beteiligen. Wir arbeiten daran, aber es ist nicht einfach.

Wie ist die Beziehung von Refdata zu Swissmedic?
Die Stiftung Refdata hat weder zu Swissmedic noch zum BAG eine spezifische Beziehung. Sowohl Swissmedic als auch das BAG sind jedoch willkommen, an unseren halbjährlichen Informationssitzungen und Diskussionen mit unseren Partnern und anderen an unseren Aktivitäten interessierten Organisationen teilzunehmen.

Können E-Commerce-Websites von Apotheken (Online-Verkauf von Medikamenten) heute oder in Zukunft Refdata verwenden, insbesondere für Medikamente?
Natürlich können sie das. Die Refdata-Datenbanken, insbesondere die Refdatabase-Partner, die Refdatabase-Artikel sowie die Informationsplattform für Fachpersonen und Patienten, können kostenlos eingesehen und heruntergeladen werden. Die Inhalte dürfen für diese Zwecke verwendet werden, jedoch auf eigene Verantwortung. Ab März 2021 wird die Stiftung den SAI-Dienst (strukturierte Arzneimittelinformation) anbieten. Dieser neue Service kann zu den gleichen Bedingungen wie die anderen Dienstleistungen genutzt werden. Nur grosse Nutzer mit Bedarf an einem permanenten Informationsfluss könnten für eine Beteiligung an den Infrastrukturkosten involviert werden.

Bleiben wir abschliessend beim Thema der Artikeldatenbanken für die Gesundheit. Welches ist Ihr Standpunkt zu Open Source in diesem Bereich? Glauben Sie nicht, dass angesichts der rechtlichen Zwänge (z. B. beim Datenschutz) und der Komplexität von Datenbanken und Computerprogrammierung nur wenige, oft börsennotierte Unternehmen im Endeffekt signifikante Marktanteile gewinnen werden, wie beim elektronischen Handel mit Medikamenten?
Ich halte es für entscheidend, dass eine Organisation wie die Stiftung Refdata allen Partnern im Gesundheitswesen eine Open-Source-Datenplattform mit einem standardisierten Identifikationssystem wie das von GS1 zur Verfügung stellt. Dieser «Common Language»-Ansatz fördert den Austausch digitalisierter Informationen und verbessert so die Qualität, Sicherheit und Effizienz einer Wertschöpfungskette, die sich vom Hersteller über Logistikunternehmen, Leistungserbringer, den Einzelhandel, den Patienten oder Verbraucher und im Falle des Gesundheitswesens auch über den Kostenträger spannt.

Abgesehen davon bin ich der Überzeugung, dass die Informationen, die in Open Source zur Verfügung gestellt werden, aus einer absolut sicheren Quelle stammen sollten. In unserem Fall stammen beispielsweise die in den Artikeln der Refdatabase enthaltenen Angaben direkt von den Inhabern der Arzneizulassung oder bei nicht-pharmazeutischen Artikeln von den Lieferanten. Die grundlegende Referenzierung ist ein Ausgangspunkt. Im Allgemeinen reichen die grundlegenden Artikelinformationen nicht aus, um die Prozesse einer komplexen Wertschöpfungskette wie der Gesundheit zu steuern. Es fehlen logistische Informationen (Grösse, Gewicht, Volumen usw.), wirtschaftliche Informationen (Einkaufspreis, Verkaufspreis usw.), Marketinginformationen (Beschreibung, Nutzen usw.) und im Falle von Arzneimitteln wissenschaftliche Informationen (Ersatzartikel, Kontraindikationen usw.). Solange die legitimen Anbieter dieser Informationen, d.h. die Hersteller selbst, dies nicht in strukturierter und automatisierter Weise tun, wird es kompetente Anbieter brauchen, die in der Lage sind, all diese Angaben zuverlässig und genau zu liefern. Diese redaktionelle Arbeit hat ihren Preis; die Alternative ist, dass sie jeder für sich selbst macht, was nicht nur teurer wäre, sondern auch zu einem beispiellosen Chaos führen würde. Die Einzelhandelsbranche hat dieses Problem seit Jahrzehnten erkannt: deren Akteure verbessern ständig den Inhalt der sowohl auf B2B- als auch auf B2C-Ebene ausgetauschten Informationen.

Schauen Sie sich zum Beispiel die App «trustbox» an. Dort finden Sie Verbraucherinformationen zu fast 40.000 Produkten. Dazu gehören Informationen wie: Nährwerte, Inhaltsstoffe, Allergieinformationen, Merkmale wie «vegan», «halal», usw. All diese Informationen werden in strukturierter und digitalisierter Form von den Herstellern selbst zur Verfügung gestellt! Ab März nächsten Jahres (2021) wird die Stiftung den Gesundheitspartnern die SAI-Plattform bereitstellen, die strukturierte Informationen für alle Arzneimittel mit einer AMZ enthalten wird. Dies ist ein Anfang, aber wir sind noch sehr weit vom Niveau einer ausgedehnten, kapillaren Verbreitung in der Schweiz und weltweit entfernt. Soweit die Situation in groben Zügen.

Was den zukünftigen Erfolg im E-Commerce betrifft, so hüte ich mich davor, Prognosen zu machen. In der Vergangenheit wurden wir immer wieder von innovativen Ideen überrascht, die bei null starteten und nun von börsennotierten Unternehmen umgesetzt werden... und die Geschichte hat uns gelehrt, dass dies immer wieder geschieht. Sicher ist, dass diejenigen, die in der Lage sind, Daten und Informationen zu «zähmen», eher zu den Gewinnern gehören werden. Deshalb liegt mir das Potenzial einer Stiftung wie Refdata sehr am Herzen.

Pharmapro.ch dankt Ihnen für dieses Gespräch. 8. Oktober 2020. Von Xavier Gruffat Anfang Oktober 2020 per E-Mail durchgeführtes Interview.

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