Spanische Grippe fordert mehr Tote als der Krieg


Von Eduard Mader, sda

BERN - Als vor 100 Jahren der erste Weltkrieg ausbrach, hat noch niemand ahnen können, dass die eigentliche Katastrophe der Schweiz erst noch bevorstand: Die spanische Grippe. Sie forderte fast 25'000 Menschenleben. Weltweit starben 21 bis 50 Millionen Menschen an der Pandemie.

Die Grippe-Pandemie forderte sogar mehr Opfer als der Weltkrieg: Rund 10 Millionen Soldaten sollen damals gefallen sein. Zwischen den beiden Ereignissen bestand ein enger Zusammenhang: So gehen Experten davon aus, dass die Grippe in den USA ausbrach und dann von dort aus durch Truppenbewegungen weltweit verbreitet wurde.

Herkunft des Virus umstritten

Die "Herkunft" des Virus ist aber umstritten. Es gibt Hinweise darauf, dass das Virus aus dem asiatischen Raum stammt und durch Gastarbeiter in die USA eingeschleppt wurde. Diese Vermutung ist heute aber wissenschaftlich nicht schlüssig zu beweisen.

Die spanische Grippe, die ihren Namen durch die breite Berichterstattung in den nicht zensurierten spanischen Medien bekommen hat, traf die Schweiz in drei Wellen: im Juli 1918, im Oktober-November 1918 und im Dezember-März 1918-1919.

Anfang Juni 1918 wurden in der Schweiz zuerst an der Westgrenze stationierte Soldaten von der Grippe erfasst. Mitte Juli waren bereits 6800 Soldaten krank. Ab dem 10. Juli 1918 zählte man täglich zehn an Grippe verstorbene Wehrmänner. Der Höhepunkt wurde am 17. Juli 1918 registriert: An diesem Tag starben 35 Armeeangehörige.

Entwürdigende Krankenlager

Als besonders empörend empfanden viele Leute die entwürdigenden und ungenügenden Umstände, in denen die kranken Soldaten litten und starben. Viele von ihnen sollen auf Lagern aus blossem und vom eigenen Kot verunreinigten Stroh gestorben sein. Die mangelnde Hygiene sowie die ungenügende medizinische Versorgung führte zu Kontroversen um den damaligen Armeearzt Karl Hauser und bewegte den Bundesrat zur Einsetzung einer Untersuchungskommission.

Untypisch war, dass der Grippe mehrheitlich Männer im Alter von 20 bis 40 Jahren zum Opfer fielen. Bei der saisonalen Grippe, wie sie jeden Winter auftritt, sind es vorwiegend alte und gesundheitlich bereits angeschlagene Menschen, die sterben.

Bemerkenswert war auch, dass die Grippe besonders Alpentäler und nicht so sehr die dichtbevölkerten Städte heimsuchte. Die Zentralschweizer Kantone Nidwalden, Uri und Obwalden mussten gemessen an der Bevölkerung die höchsten Sterberaten hinnehmen. In Nidwalden und Uri starb im Oktober 1918 jeder 300. Einwohner an Grippe, in Obwalden gar jeder 200.

Die Ausbreitung der spanischen Grippe war unvorstellbar: Gemäss historischen Berichten war beispielsweise in Genf die Hälfte der Bevölkerung von der Grippe betroffen. In manchen Fabriken erkrankten 80 Prozent der Arbeiter. Oder in Rekrutenschulen: In Colombier NE zwang die Grippe drei von vier Männern ins Bett.

Von Landesstreik und Truppenaufgebot begünstigt?

In der Landesstreikdebatte des Nationalrats vom 12. November 1918 kam es zu einem innersozialdemokratischen Disput um den Zusammenhang von Streik und Grippegefahr, wie der Historiker Georg Kreis in seinem Buch "Insel der unsicheren Geborgenheit" schreibt.

Nationalrat August Rikli, Arzt, habe an seinen Kollegen, Nationalrat Robert Grimm, Streikführer, appelliert, er solle mit dem Abbruch des Streiks dafür sorgen, dass die Grippe nicht weiter um sich greife. Die Streikversammlungen und - noch mehr - das Truppenaufgebot gegen den Streik dürften die Ausbreitung der tödlichen Grippe tatsächlich erleichtert haben, schreibt Kreis.

Die Gesellschaft war auf die Grippepandemie völlig ungenügend vorbereitet, der Wissensstand über die Krankheit und mögliche Mittel dagegen war sehr schlecht. So wurde etwa das Zahnpulver Serodent mit Kampfer als Schutz vor der Ansteckung angepriesen. Oder es wurde empfohlen, Zwiebeln zu essen und im Freien Atemübungen zu machen.

Menschenansammlungen verboten

Menschenansammlungen waren in dieser Zeit verboten. Der Wirtshausbetrieb, Kulturanlässe und sogar Gottesdienste wurden untersagt. In Genf wurden zwei Pfarrer gebüsst, weil sie trotz des Versammlungsverbots gepredigt hatten.

Selbst die Teilnahme an Beerdigungen wurde auf fünf Personen limitiert. Public-Viewing-Veranstaltungen, wie sie im Rahmen der Fussball-WM stattgefunden haben, wären während der Pandemie undenkbar gewesen.

Heute ist der Erreger der spanischen Grippe, der erst in den 30er-Jahren isoliert wurde, bekannt. Aus den Lungen verstorbener Soldaten liess sich das Virus mit seinem vollständigen Genom herleiten. Es handelte sich um ein Virus, das sich direkt vom Vogelvirus zum für Menschen ansteckenden Virus gewandelt hatte.

Dieselbe Situation hat sich beim H5N1-Virus in Südostasien ergeben: Deshalb auch die Angst vor der Vogelgrippe und die Befürchtung, dass sie sich zu einer Pandemie ausbreiten könnte, sollte sich das Virus so verändern, dass es leicht von Mensch zu Mensch übertragbar wird.

Seit 2004 sind in der Schweiz mit der Pandemieplanung aufwendige Vorbereitungen für den Fall einer grossflächigen Epidemie getroffen worden.


Quelle: SDA - 18.07.2014

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