Keine medizinischen Daten auf Vorrat an die Krankenkassen
BERN - Die von den Krankenkassen geforderte systematische Lieferung aller medizinischer Datensets mit der Spitalrechnung verletzt das Patienten- und Arztgeheimnis, verstösst gegen den Daten- und Persönlichkeitsschutz und gegen das Prinzip der Verhältnismässigkeit. Zu diesen Schlussfolgerungen kommt ein neues Rechtsgutachten im Auftrag des Spitalverbandes H+ und der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte FMH.
Ein neues Rechtsgutachten von H+ und der FMH über die Rechnungstellung der Spitäler an die Krankenkassen verlangt bei der Einführung des Fallpauschalensystems SwissDRG einen konse-quenten Daten- und Persönlichkeitsschutz sowie die Wahrung des Patienten- und Arztgeheimnisses. Die systematische Lieferung aller medizinischer Datensets an die Kassen verstösst gegen das Ver-hältnismässigkeitsprinzip und verletzt die Grundsätze des Daten- und Persönlichkeitsschutzes, ist das Fazit des Gutachtens. Für die reine Rechnungskontrolle der Krankenkassen genügt das Rech-nungsdatenset ohne detaillierte medizinische Angaben.
Konkreten Vorschlag einer Krankenkasse begutachtet
Das Rechtsgutachten prüfte einen Mustervertrag einer Krankenkasse als Vorschlag für die Tarifver-handlungen SwissDRG 2012. Darin verlangt die Krankenkasse die Lieferung aller kodierten Diagno-sen und Prozeduren in vollständiger Länge, systematisch geliefert mit der Rechnungsstellung als Regelfall. Das Rechtsgutachten von H+ und FMH stellt fest, dass eine solche Regelung nicht geset-zeskonform ist. Aufgrund der vom Bundesverwaltungsgericht geforderten Verhältnismässigkeit müs-sen ergänzende medizinische Auskünfte jeweils begründet und zudem zwingend an den Vertrauens-arzt erfolgen. Bei der Weiterleitung medizinischer Daten muss zwingend die Einwilligung des Patien-ten eingeholt werden, der ausdrücklich bestimmt, ob die Daten an den Vertrauensarzt oder die Kas-senverwaltung gehen. Das Parlament hat Forderungen der Krankenkassen für die Lieferung von de-taillierten Diagnosen mit der Spitalrechnung in den Jahren 2007 und 2010 abgelehnt. Die Überprü-fung der Wirtschaftlichkeit kann und muss im System SwissDRG aufgrund statistischer Methoden und auf der Basis anonymisierter Daten und mit Stichproben erfolgen, stellt das Gutachten fest. Die sys-tematische Lieferung von medizinischen Datensets und das Horten von zum Teil nie benötigter Da-tensets verstossen laut Gutachten gegen das Verhältnismässigkeitsprinzip.
Für H+ und die FMH zeigt das Gutachten, dass keine medizinischen Daten auf Vorrat geliefert wer-den dürfen und die Forderungen der Krankenkassen nicht gesetzeskonform sind. Das Gutachten Miotti und das Fazit können auf den Websites der FMH und H+ heruntergeladen werden.
Quelle: Verbindung Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) - 31.05.2011