Hormone verbessern kognitive Leistung von Menschen mit Trisomie 21


LAUSANNE - Eine neue Hormontherapie könnte den kognitiven Beeinträchtigungen von Menschen mit Trisomie 21 entgegenwirken. Diese Hoffnung nährt eine Studie von Forscherinnen und Forscher aus Lausanne und Frankreich.

Die positiven Ergebnisse wurden zunächst in einer Pilotstudie mit sieben Patienten erzielt, wie ein am Donnerstag in der Zeitschrift "Science" veröffentlichter Artikel berichtet. Diese müssten allerdings noch durch eine grössere randomisierte Studie mit einer Kontrollgruppe, die ein Placebo erhält, bestätigt werden, räumt der Bericht ein.

Das Down-Syndrom oder Trisomie 21 betrifft eine von 800 Geburten und äussert sich in verschiedenen Beeinträchtigungen, insbesondere in einer Abnahme der kognitiven Fähigkeiten. Ein fortschreitender Verlust des Geruchssinns ist ab der Vorpubertät ebenfalls häufig, und bei Männern kann es zu Defiziten bei der sexuellen Reifung kommen.

Drohende Demenz

Mit zunehmendem Alter entwickeln drei Viertel der Betroffenen eine Demenz. "Es ist wie ein frühes Alzheimer-Syndrom", sagte Nelly Pitteloud, Professorin an der Universität Lausanne und Leiterin der Abteilung für Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechsel am Universitätsspital Chuv in Lausanne, gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Sie ist zusammen mit Kollegen des französischen Gesundheitsforschungsinstituts Inserm Co-Autorin dieser Forschung.

Neuere Entdeckungen legen nahe, dass Neuronen, die das Hormon GnRH (Gonadotropinliberin) exprimieren und dafür bekannt sind, die Fortpflanzung über den Hypothalamus zu regulieren, auch in anderen Gehirnregionen wirken und insbesondere eine Rolle bei der Kognition spielen. Ausgehend von dieser Idee untersuchte eine Gruppe von Forschern des Inserm im französischen Lille unter der Leitung von Vincent Prévot den Mechanismus der GnRH-Regulierung an Modellmäusen mit Trisomie 21.

Das Team konnte nachweisen, dass fünf Stränge von Mikro-RNAs, die an der Produktion dieses Hormons beteiligt sind und auf dem Chromosom 21 vorkommen, dereguliert waren. Dieses überzählige Chromosom führt dann zu Anomalien in den GnRH-sezernierenden Neuronen.

Wiederherstellung der GnRH-Produktion

"Wir konnten dann zeigen, dass die Wiederherstellung eines GnRH-Systems die kognitiven und olfaktorischen Funktionen bei Mäusen mit Down-Syndrom systematisch wiederherstellen kann", sagte Vincent Prévot in einem Online-Pressebriefing.

Diese Ergebnisse bei Mäusen wurden mit Nelly Pitteloud besprochen, deren Gruppe Expertin für die Diagnose und Behandlung einer seltenen Krankheit ist, dem kongenitalen GnRH-Mangel, der sich durch das Ausbleiben der Pubertät äussert. Diese Patienten werden mit pulsierendem GnRH behandelt, das in regelmässigen Abständen verabreicht wird, um den natürlichen Rhythmus der GnRH-Ausschüttung nachzuahmen.

Die Forscher beschlossen daher, die Wirksamkeit dieser Behandlung an Mäusen mit Down-Syndrom zu testen. Das Ergebnis: Nach 15 Tagen hatten die Mäuse ihren Geruchssinn und ihre kognitiven Funktionen wiedererlangt.

Verbesserte kognitive Funktionen

Die Ärzte des Chuv gingen also zum nächsten Schritt über, einem Pilotversuch mit Patienten, die von Ariane Giacobino, der Leiterin der Down-Syndrom-Sprechstunde am Universitätsspital Genf, überwiesen wurden.

Sieben Männer mit Trisomie 21 im Alter von 20 bis 50 Jahren erhielten sechs Monate lang alle zwei Stunden eine Dosis GnRH subkutan über eine Pumpe am Arm. Vor und nach der Behandlung wurden Tests der Kognition und des Geruchssinns sowie Magnetresonanztomographie-Untersuchungen durchgeführt.

Die kognitiven Leistungen verbesserten sich bei sechs der sieben Patienten: besseres dreidimensionales Vorstellungsvermögen, besseres Verständnis von Anweisungen, verbessertes Denken, Aufmerksamkeit und episodisches Gedächtnis. Die Behandlung hatte jedoch keine Auswirkungen auf den Geruchssinn.

Neue Kartografie des Gehirns

Diese kognitiven Tests wurden durch bildgebende Verfahren im Gehirn am Chuv bestätigt, die eine deutliche Zunahme der funktionellen neuronalen Konnektivität zeigten. "Man kann eine neue Gehirnkartografie sehen, die sich gesunden Personen annähert, das ist begeisternd", stellt Pitteloud fest. Die Verbesserung wird auf 10 bis 30 Prozent geschätzt. Einer der Teilnehmer hat sogar "die Grenze zum Gesunden überschritten", sagte die Lausanner Professorin.

Die Autoren geben sich indes vorsichtig. Diese Ergebnisse müssen durch eine grössere randomisierte Studie bestätigt werden. Die Studie wird diesen Herbst in Lausanne und Basel beginnen und etwa 60 Patienten, darunter auch Frauen, umfassen. Sie wird voraussichtlich zwei Jahre dauern.

Quelle: SDA / Keystone - 1.09.2022, Copyrights Bilder: Adobe Stock/© 2022 Pixabay

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