Quallen: Interview mit einem italienischen Spezialisten


NEAPEL - Quallen kommen in den letzten Jahren im Mittelmeer immer häufiger vor. So sind sie z. B. in Italien an der Adriaküste um Triest oder an der Küste von Amalfi, in Spanien auf den Balearen und in Frankreich an der Côte d'Azur aufgetreten. Der Sommer 2022 ist im Mittelmeerraum besonders problematisch, da es an einigen Küsten zu Massenvermehrung von Quallen kommt. Die Quallen, die man im Mittelmeer findet, sind für Meerestiere tödlich, für den Menschen jedoch in den allermeisten Fällen harmlos. Ein Überblick über die Situation mit dem führenden italienischen Quallen-Spezialisten, Ferdinando Boero, Autor zahlreicher Studien. Er lehrte Zoologie an der Universität von Salento und später an der Universität Neapel Federico II (er ist inzwischen im Ruhestand). Derzeit ist er Vorsitzender der Dohrn Foundation an der Stazione Zoologica.

Pharmapro.ch (Xavier Gruffat) – Welche Quallenarten findet man am häufigsten im Mittelmeer, z. B. in Italien? Handelt es sich immer um Pelagia noctiluca (Foto) und in geringerem Mass Physalia physalis?
Ferdinando Boero - Die häufigsten Quallen sind Pelagia noctiluca (aber nicht in der Adria), während Rhizostoma pulmo und Cotylorhiza tuberculata entlang aller (italienischen) Küsten vorkommen. Physalia physalis dringt über Gibraltar ein und kann die Westküsten Italiens, insbesondere Siziliens, erreichen.

Stimmt es, dass Pelagia noctiluca die Quallenart ist, die am häufigsten zu Symptomen (z. B. zu Verbrennungen) bei Touristen an italienischen Stränden führt?
Von einem quantitativen Standpunkt aus betrachtet, ja. Das einzige Opfer (Anm. d. Red.: Todesfall), das im Mittelmeerraum aufgrund eines gallertartigen Stachels registriert wurde, war eine Physalia physalis auf Sardinien. Das Opfer hatte jedoch bereits gesundheitliche Probleme.

Welche Auswirkungen und Folgen hat die Erwärmung der Ozeane für die Quallen?
Die Erwärmung der Ozeane kann das Zeitfenster erweitern, in dem sich Arten mit Vorlieben für warmes Wasser fortpflanzen. Der Temperaturanstieg im Mittelmeerraum hat die Etablierung der invasiven Art Rhopilema nomadica im östlichen Mittelmeer begünstigt. .

Zusammenfassend: Welches sind Ihre verschiedenen Lösungsansätze, um die Anzahl von Quallen im Mittelmeer zu begrenzen?
Quallen füllen die Lücke, die von den Fischen hinterlassen wird, die wir mit sehr effizienten industriellen Werkzeugen fangen. Ausgewachsene Fische sind sowohl Fressfeinde als auch Konkurrenten der Quallen, während die Quallen sowohl Fressfeinde als auch Konkurrenten der Larven und Jungfische sind. Wenn man einen der beiden «Akteure» entfernt, gewinnt der andere. Eine breitere Nutzung der Meeresressourcen ohne Erschöpfung der Fischpopulationen könnte zu einem ausgewogeneren Funktionieren der Ökosysteme führen.

Wenn eine Person von einer Qualle gestochen wurde, was raten Sie? Empfehlen Sie, Essig auf die Verbrennung oder Wunde aufzutragen? Stimmt es, dass man kein kaltes Wasser auftragen sollte?
Ganz bestimmt kein kaltes Wasser oder Süsswasser, und man sollte sofort einen heissen Gegenstand auf die verletzte Stelle auflegen, da das Gift in der Regel hitzelabil ist. «Schaben (schneiden)» Sie den Stich mit einem Plastikgegenstand, z. B. einer Kreditkarte, um die Nesselzellen zu entfernen. Reiben Sie den Stich nicht. Gehen Sie zu einem Arzt und versuchen Sie herauszufinden, welche Art Sie gestochen hat, machen Sie ein Foto. Nicht alle Verletzungen sehen gleich aus.

Gibt es besondere Vorsichtsmassnahmen, die man bei mehreren Quallenstichen treffen muss? Anders formuliert: Besteht bei vielen Stichen am Körper ein höheres Risiko?
Wenn Sie gestochen werden, sollten Sie nicht in Panik geraten und wie verrückt um sich schlagen usw. Bleiben Sie ruhig, schwimmen Sie langsam in Richtung Küste und passen Sie auf, um weitere Begegnungen zu vermeiden. Natürlich können mehrere Stiche mehr bewirken als ein einziger, wie das auch bei Bienen der Fall ist.
Wenn Sie sich im Mittelmeer aufhalten, denken Sie daran, dass es dort bisher nur ein einziges Opfer eines Quallenstichs gegeben hat! Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie das zweite Opfer sind, ist äusserst gering.

Für weitere Informationen:
– Studie über Quallen, die u. a. von Ferdinando Boero durchgeführt wurde, aus dem Jahr 2013 (PDF-Link).

Foto (oben): Qualle unter Wasser im Mittelmeer, Art Pelagia noctiluca (Bildnachweis: Adobe Stock).

Pharmapro.ch (und Creapharma.ch) dankt Ferdinando Boero für das auf Englisch geführte Interview (das später in andere Sprachen übersetzt wurde). Es fand im Juli 2022 per E-Mail statt. Schlussredaktion: Xavier Gruffat (Apotheker) und Seheno Razanamanga (Journalist). Foto: Adobe Stock.

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